Product Owner vs. Projektmanager – Wo liegt der Unterschied?

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Product Owner vs. Projektmanager – Wo liegt der Unterschied?
Der eine steuert das Produkt, der andere das Projekt. Doch wo verlaufen die Grenzen, und wo gibt es Überschneidungen?

Pragmatisches Projektmanagement

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In den letzten beiden Artikeln ging es um agile Methoden – um Scrum, Kanban und die Frage, welches Modell wann besser passt. Doch ganz gleich, welches Vorgehen du wählst: Am Ende braucht es Menschen, die den Überblick behalten, Entscheidungen treffen und den Laden am Laufen halten. Zwei Rollen stehen dabei oft im Zentrum: Product Owner und Projektmanager.

Und obwohl sie oft verwechselt werden – sie sind nicht dasselbe.

Zwei Rollen, zwei Blickwinkel

PO vs. PM

Während der Product Owner der Anwalt des Produkts ist, ist der Projektmanager der Taktgeber des Vorhabens. Und während der eine den Wert verantwortet, über Features entscheidet, das Backlog priorisiert und die Kundenperspektive vertritt, kümmert sich die andere um Termine, Budgets, Ressourcen und Risiken – damit das Team liefern kann, was versprochen wurde.

Der eine fragt: „Was bringt dem Nutzer den größten Mehrwert?“
Die andere fragt: „Wie kriegen wir das bis Ende Q3 umgesetzt?“

Beide Fragen sind wichtig – aber sie kommen aus unterschiedlichen Welten.

Fähigkeiten: Was müssen die beiden mitbringen?

Ein Product Owner braucht vor allem Produktgespür, Kommunikationsstärke, Entscheidungsfähigkeit und ein gutes Stakeholder-Management. Er ist nah am Kunden, denkt in Nutzen und Outcomes, nicht in Aufgaben. Mein persönliches Credo: Wer als PO nie einen Nutzer im echten Leben getroffen und diesem bei der Nutzung des Produkts begleitet hat, ist kein PO. Und wer als PO nie erlebt hat, was notwendig ist, um das Produkt zu kaufen, zu betreiben, zu warten und ggf. auszuphasen, blickt nur sehr begrenzt auf sein Produkt.

Der Projektmanager braucht ein gutes Verständnis für Abläufe, Risiken und Ressourcen. Er ist oft methodisch breiter aufgestellt, kann mit Controlling-Zahlen genauso umgehen wie mit Teamdynamiken.

Die Kernkompetenz des Product Owners ist die Priorisierung nach Wert. Was zuerst? Was später? Was gar nicht? Die Kernkompetenz des Projektmanagers ist das organisatorische Möglichmachen. Wie kriegen wir das, was entschieden wurde, im Rahmen der Realität umgesetzt? Am besten lässt sich das anhand von typischen Situationen im Entwicklungsalltag beschreiben.

Unterschiedliche Sichten von PO und PM auf Situationen im Alltag

Unterschiedliche Denkweise – gemeinsames Ziel

Ob es um Feature-Entscheidungen, Zeitdruck oder Stakeholder-Wünsche geht: Product Owner und Projektmanager blicken aus unterschiedlichen Perspektiven auf dasselbe Projekt. Der eine denkt produktzentriert, der andere prozess- und ressourcenorientiert.

Der Product Owner fragt sich: „Bringt das dem Kunden Mehrwert? Entspricht es unserer Vision?“ Seine Entscheidungen kreisen um Nutzen, Priorisierung und Wertschöpfung. Er sieht das Produkt als Ganzes – von der Vision bis zum letzten Feature. Der Projektmanager hingegen fragt: „Wie wirkt sich das auf den Plan aus? Wie bleiben wir im Budget und im Zeitrahmen?“ Er fokussiert sich auf Termine, Kosten, Risiken und Abstimmungen.

Diese unterschiedliche Denkweise ist kein Widerspruch – im Gegenteil. Erst die Kombination beider Rollen schafft die Balance zwischen „bauen, was wertvoll ist“ und „bauen, was machbar ist“. Wenn PO und PM gut zusammenarbeiten, entsteht ein stabiler Rahmen, in dem Produktentwicklung zielgerichtet, effizient und kundenorientiert ablaufen kann.

PO und PM in einer Person – sinnvoll oder gefährlich?

Gerade in kleineren Unternehmen oder schlanken Projekten stellt sich durch die Nähe der beiden Rollen oft die Frage: Braucht es wirklich zwei Rollen – oder kann eine Person beides übernehmen? Die Idee klingt verlockend: weniger Abstimmung, kürzere Wege, mehr Klarheit. Und ja, in manchen Situationen kann das funktionieren.

Wenn das Projekt überschaubar, die Anzahl der Stakeholder gering und das Team eingespielt ist, kann eine erfahrene Person durchaus beide Hüte tragen – mit einem klaren Rollenbewusstsein. Vor allem in frühen Projektphasen, MVPs oder kleineren Produkterweiterungen funktioniert dieses Modell gut. Man spart Kommunikationsaufwand, Entscheidungen können schneller getroffen werden, und es entsteht weniger Reibungsverlust zwischen Produkt- und Projektinteressen.

Doch genau darin liegt auch die Gefahr: Produktfokus und Projektsteuerung haben unterschiedliche Ziele – und unterschiedliche Spannungen. Der PO will Kundennutzen maximieren, der PM Risiken minimieren. Der PO sagt „dieses Feature bringt echten Mehrwert“, der PM denkt „aber das ist nicht im Plan“. In einer Person kann dieser Interessenkonflikt schnell zur inneren Zerreißprobe werden – oder dazu führen, dass eine der Rollen zu kurz kommt.

In großen, komplexen Projekten mit vielen Abhängigkeiten, hohen Budgets oder kritischen Timings ist die Trennung der Rollen daher meist nicht verhandelbar. Hier braucht es sowohl einen klaren PO als Stimme des Produkts, als auch einen starken PM, der die Gesamtverantwortung für das Projektumfeld trägt.

Eine Doppelfunktion kann funktionieren – aber nur, wenn das Projekt dafür geeignet ist und die Person bewusst zwischen den Rollen wechseln kann. Klar definierte Erwartungen, regelmäßige Reflexion und ein gutes Gespür für Prioritäten sind dann unerlässlich. Wer beides machen will, muss wissen, wann er denkt wie ein Product Owner – und wann wie ein Projektmanager.

Aber auf was kann ich konkret achten, wenn ich die Rollen des Product Owners und des Projektmanagers in einer Person vereine?

PO und PM in einer Person vereint

1. Klarer Rollenkonflikt erkennen und auflösen

Zunächst muss der Inhaber der Doppelfunktion bewusst zwischen den Rollen wechseln können. Das bedeutet, dass bei jeder Entscheidung reflektiert wird, ob sie aus der Perspektive des Produktmanagements oder des Projektmanagements getroffen wird. Ein guter PO fokussiert sich auf Kundennutzen und Produktvision, während ein PM Projektziele, Zeitrahmen und Budget im Auge behält. Wenn diese unterschiedlichen Perspektiven in einer Person zusammenlaufen, muss klar sein, in welchem Moment welche Rolle die Oberhand gewinnt.

2. Regelmäßige Reflexion und Feedback einholen

Die Gefahr der Überlastung ist groß, wenn man zwei so unterschiedliche Aufgaben gleichzeitig übernimmt. Regelmäßige Selbstreflexion und Feedbackgespräche mit dem Team oder Stakeholdern können helfen, die Balance zu halten. Werden die Bedürfnisse des Produkts und die Anforderungen des Projekts noch angemessen berücksichtigt? Fehlt es irgendwo an Fokus? Ein klarer Austausch über Herausforderungen ist entscheidend, um frühzeitig gegensteuern zu können.

3. Prioritäten immer wieder überprüfen

Einer der größten Stolpersteine ist die Priorisierung. Der PO möchte, dass bestimmte Features oder Anforderungen im Vordergrund stehen, während der PM sich auf das Einhalten von Meilensteinen und das Verhindern von Risiken konzentriert. Der Wechsel zwischen den Perspektiven muss immer wieder hinterfragt werden – das bedeutet, dass klare und flexible Prioritäten gesetzt werden müssen.

4. Klare Kommunikationsstrukturen schaffen

Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Kommunikation. Mit einer Person, die beide Rollen übernimmt, wird der Austausch mit den Teammitgliedern und Stakeholdern entscheidend. Der PO muss sicherstellen, dass das Team jederzeit die Produktziele versteht, während der PM transparent über Projektfortschritte und Abhängigkeiten informiert. Missverständnisse und Unklarheiten entstehen schnell, wenn beide Perspektiven nicht klar voneinander getrennt sind.

5. Unterstützung durch ein starkes Team und klare Verantwortlichkeiten

Es ist nicht genug, dass eine Person beide Rollen übernimmt – sie braucht auch Unterstützung. Vertreter der jeweiligen Bereiche, etwa ein Teammitglied mit starkem Projektmanagement-Fokus oder ein Scrum Master, können helfen, die Balance zu halten und die Doppelfunktion in der Praxis handhabbar zu machen. Es ist wichtig, dass der PO/PM die Verantwortung für das große Ganze behält, aber auch anderen die Freiheit gibt, sich auf die Details zu konzentrieren.

6. Gefahr der Überforderung ernst nehmen

Wie bereits erwähnt, besteht ein großes Risiko der Überforderung. Die Doppelfunktion erfordert ein hohes Maß an Organisationstalent und Stressresistenz. Wer die Balance zwischen den beiden Rollen verliert, kann sich schnell in einen Krisenmodus begeben, der sowohl das Produkt als auch das Projekt gefährdet.

Der Schlüssel zum Erfolg in dieser Doppelfunktion ist es, stets zwischen den beiden Rollen bewusst zu wechseln und die Aufgaben nach Bedarf flexibel und effizient zu koordinieren. Und ganz wichtig: Es ist immer ratsam, Unterstützung durch das Team zu suchen, um die Last nicht allein zu tragen.

Fazit

Product Owner oder Projektmanager? Ganz ehrlich: Die Frage ist gar nicht so spannend. Spannend ist, wer wann welchen Hut aufhat – und ob er weiß, wofür dieser Hut steht.

Beide Rollen haben ihre Daseinsberechtigung. Der eine sorgt dafür, dass das Richtige entsteht, der andere, dass es überhaupt entsteht. Ohne Vision wird’s beliebig, ohne Plan wird’s Chaos. Das Zusammenspiel zählt.

Wenn du also beides in einer Person vereinst: Glückwunsch – aber sei wachsam. Halte regelmäßig inne, reflektiere, und gib auch mal Verantwortung ab. Und wenn du beide Rollen trennst: Umso besser – dann sorg dafür, dass sie miteinander reden statt aneinander vorbei.

Denn am Ende wollen alle das Gleiche: Ein gutes Produkt im Rahmen der geplanten Kosten pünktlich beim Kunden.

Wie ihr zu User Stories kommmt, die wirklich Mehrwert liefern, beleuchten wir im nächste Teil unserer Serie. Bis dahin freue ich mich auf Eure Reaktionen auf LinkedIn.

Lars Roith

Lars Roith

Lars berät Unternehmen und Entwicklungsteams ganzheitlich bei der Umsetzung ihrer Softwareentwicklungsprojekte, von den Prozessen über die Anforderungen und Architekturen bis hin zu Umsetzung und Betrieb.

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