Wasserfall vs. Agile – Wann passt welche Methode?

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Wasserfall vs. Agile – Wann passt welche Methode?
Traditionelles vs. agiles Projektmanagement: Lerne, welche Methode wann sinnvoll ist und wie du die richtige Wahl triffst.

Pragmatisches Projektmanagement

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Bei der Wahl des richtigen Vorgehens für ein Projekt stehen Projektleiter regelmäßig vor der Frage “Agil oder Klassisch?”, wobei mit “klassisch” zumeist Methoden wie Wasserfall-Modell, V-Modell u.ä. gemeint sind. Aber woran kann ich festmachen, für was ich mich entscheide? Nachdem agile Methoden nun wirklich kein Neuland mehr sind, gibt es mittlerweile eine Reihe von Studien zur Nutzung ebendieser. Eine dieser Studien, der CHAOS-Report der Standish Group, zeigt seit mehreren Jahren einen klaren Trend zur Wahl der Methode. CHAOS-Report der Standish Group - Vergleich 2020 zu 2015 Projekte, die agile Methoden nutzen, sind dreimal erfolgreicher und scheitern nur halb so oft wie Projekte, die auf die Wasserfall-Methode setzen. Dieser Trend ist seit 2015 ziemlich stabil.

Aber wenn das Bild so klar zu sein scheint, warum gibt es noch immer Projekte nach klassischer Methode? Prof. Dr. Ayelt Komus et al. führen seit 2012 Befragungen zur Nutzung und zu Erfolgsfaktoren agiler Methoden durch (siehe 4. Studie zu Nutzen und Erfolgsfaktoren agiler Methoden). Auch wenn die letzte Ausgabe von 2020 ist, so haben die Aussagen noch immer Bestand. In der Studie wird zwischen rein agilen, hybriden und klassischen Methoden unterschieden, und es wird u.a. nach den Gründen der Nutzung des jeweiligen Vorgehens gefragt. Während die agilen Nutzer vor allem Punkte wie Optimierung von Zeit oder Qualität sowie Risikominimierung als Grund für die Nutzung anführen, steht bei den hybriden sowie klassischen Methoden ein Punkt deutlich im Vordergrund: Die Rahmenbedingungen erlauben keine oder zumindest keine durchgängige Anwendung von agilen Methoden. Und als Rahmenbedingungen werden die Punkte Budgetierung, Festpreis und Projektzielvorgaben genannt. Es sind also zumeist keine aktiven Entscheidungen für den klassischen Weg, sondern vielmehr Begrenzungen von außen, die zur Nutzung von klassischen Methoden führen.

Aus meiner Sicht haben wir damit auch die Faktoren, die gegen ein rein agiles Projekt sprechen. Wenn ich Zeit, Kosten oder Umfang festschreiben will, benötige ich ein abgeschlossenes Bild der vor mir liegenden Aufgaben. Wenn kein Handlungsspielraum während der Projektdurchführung bleibt, muss jemand das Risiko der Veränderung tragen. Und wenn das Risiko keiner der Projektbeteiligten, also Projektsponsor, Stakeholder oder Projektteam, tragen kann oder will, bleibt meist nur der Weg zum Wasserfall. Gleichzeitig erklärt sich somit auch, warum wir immer wieder auf hybride Szenarien treffen. Diese sind der Versuch, die höhere Erfolgswahrscheinlichkeit mit dem Wunsch nach festen Rahmenparametern zu vereinen.

Der CHAOS-Report zeigt noch weitere Merkmale auf. So sind kleinere Projekte wesentlich häufiger erfolgreich (>50%), unabhängig von der gewählten Methode. Und je größer das Projekt, desto größer die Wahrscheinlichkeit des Scheiterns. Und ein weiterer spannender Faktor für alle Projektleiter: Nur 23% der klassischen Projekte, die von einem ausgebildeten Projektleiter geführt werden, sind erfolgreich. Ohne einen solchen Projektleiter steigt der Wert auf 58%. Und in agilen Projekten ist die Diskrepanz noch größer. Dort sind es nur 18% der Projekte, die mit einem ausgebildeten Projektleiter erfolgreich sind, wohingegen 91% der Projekte ohne ausgebildeten Projektleiter ihr Projektziel unter Einhaltung von Umfang, Zeit und Budget erreichen. Es ist anzunehmen, dass die Führung durch einen ausgebildeten Projektleiter oft einhergeht mit einer steigenden Größe des Projekts, mit festgeschriebenen Rahmenparametern oder aber mit der angenommenen Komplexität des Projekts. Gleichzeitig bringt die Einbindung aber auch zusätzliche Abstimmungsaufwände und steigende organisatorische Hürden mit sich, die den Projektfortschritt bremsen können. Oft wird versucht, der Komplexität mit ausgefeilten und umfangreichen Projektmanagementwerkzeugen Herr zu werden, laut CHAOS-Report ein weiteres Indiz für sinkende Erfolgschancen und steigende Projektkosten.

Fazit

Meine Quintessenz aus all den Statistiken: Wenn du die Wahl hast, wähle ein agiles Vorgehen. Wenn das nicht möglich ist, ändere die Rahmenbedingungen, bis es möglich wird. Eine Möglichkeit, die Rahmenbedingungen und das Vorgehen zu gestalten, habe ich in meinem letzten Beitrag gezeigt. Darüber hinaus obliegt es der Risikobereitschaft der Projektbeteiligten, wie viel Wasserfall notwendig ist, bevor ein Projekt agil und somit hoffentlich auch (mit größerer Wahrscheinlichkeit) erfolgreich werden kann.

Im nächsten Teil unserer Serie schauen wir nochmals auf den Projekterfolg und befassen uns mit Zeit, Kosten und Qualität. Bis dahin freue ich mich über eure Reaktionen auf LinkedIn.

Lars Roith

Lars Roith

Lars berät Unternehmen und Entwicklungsteams ganzheitlich bei der Umsetzung ihrer Softwareentwicklungsprojekte, von den Prozessen über die Anforderungen und Architekturen bis hin zu Umsetzung und Betrieb.

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