Stakeholder-Management – Die Kunst, alle ins Boot zu holen

Pragmatisches Projektmanagement
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Stakeholder-Management – Die Kunst, alle ins Boot zu holen
Kein Projekt existiert im luftleeren Raum. Hinter jedem Vorhaben stehen Menschen mit Interessen, Meinungen und Einfluss – deine Stakeholder. Sie können treibende Kraft oder Bremsklotz sein, Unterstützer oder Gegner. Wenn es dir gelingt, sie frühzeitig einzubinden, ihre Erwartungen zu verstehen und offen mit ihnen zu kommunizieren, wird Stakeholder-Management zu deinem strategischen Vorteil. Wenn du es aber vernachlässigst, können selbst technisch saubere Projekte ins Wanken geraten – durch Widerstände, Missverständnisse oder blockierte Entscheidungen.
Wer gehört überhaupt dazu?
Also: Wer sind deine Stakeholder eigentlich? Beantworte diese Frage nicht vorschnell. Oft denkt man zuerst an Auftraggeber oder Management – klar. Aber was ist mit Endnutzern? Mit angrenzenden Fachabteilungen, Datenschutz, IT-Sicherheit, dem Betriebsrat, Behörden oder Investoren?
Geh systematisch vor: Erstelle dir eine Stakeholder-Map, nutze eine Einfluss-Interessen-Matrix. Überlege dir bei jeder Person oder Gruppe: Wie groß ist ihr Interesse am Projekt? Und wie groß ist ihr Einfluss auf das Ergebnis?
Erwartungen – klären statt raten
Wenn du das klar hast, überlege: Wie kannst du ihre Erwartungen kennenlernen? Hast du schon mal in einem Projekt erlebt, dass „alle etwas anderes wollten“ – und keiner es gesagt hat? Oder schlimmer noch: dass alle das Gleiche gesagt, aber etwas völlig Unterschiedliches gemeint haben? Genau das passiert häufig – weil Begriffe wie „Qualität“, „Fertig“, „Benutzerfreundlich“ oder „Minimal Viable Product“ in den Köpfen ganz unterschiedlich belegt sind.
Das kannst du verhindern, indem du strukturiert nachfragst: Führe Gespräche, Interviews oder kleine Workshops mit deinen wichtigsten Stakeholdern – und geh dabei in die Tiefe. Frage konkret: Was erwarten sie? Was befürchten sie? Was bedeutet für sie „Erfolg“ in diesem Projekt? Und vor allem: Was genau meinen sie, wenn sie bestimmte Begriffe verwenden? Oft lohnt es sich, diese Begriffe gemeinsam zu klären – schriftlich oder visuell – um Missverständnisse von Anfang an auszuräumen.
Stakeholder steuern – nicht nur informieren
Nur zu wissen, was andere wollen, reicht nicht. Du musst aktiv steuern. Und das beginnt mit realistischen Erwartungen. Versprich nicht das Blaue vom Himmel – kommuniziere ehrlich, was geht und was nicht. Setze Prioritäten. Sprich Zielkonflikte offen an. So entsteht Vertrauen.
Entwickle außerdem einen Kommunikationsplan: Wer soll wie oft informiert werden? Wer ist entscheidend? Wer muss nur gelegentlich ein Update bekommen? Pass das Format an die Zielgruppe an – nicht jeder braucht PowerPoints oder Tagesordnungen.
Strukturen, die helfen: Steering Boards & Workshops
Nutze ein Steering Board, wenn dein Projekt eine gewisse Komplexität erreicht. Lade die wichtigsten Entscheider regelmäßig ein, um gemeinsam über Status, Prioritäten und Zielkonflikte zu sprechen. Das hilft dir, kritische Fragen früh zu klären – und es schafft Rückhalt für deinen Kurs.
Zum Projektstart empfehle ich dir: Führe Erwartungs-Workshops durch. Du wirst erstaunt sein, was dort alles zur Sprache kommt – lange bevor es zu echten Problemen wird. Und über den gesamten Verlauf hinweg solltest du deinen Kommunikationsplan leben: z. B. mit wöchentlichen Team-Updates, monatlichen Reviews oder Ad-hoc-Sessions bei Veränderungen.
Konflikte klären, nicht delegieren
Nicht alles, was schwierig ist, gehört sofort zur Geschäftsführung. Halte dich an die Regel: „Don’t call Superman.“ Versuch erst, Konflikte in deinem Projektumfeld zu lösen. Greife nur zur „roten Hotline“, wenn du wirklich nicht mehr weiterkommst – und dann mit einer Idee, wie es weitergehen könnte. Du stärkst damit nicht nur deine eigene Position, sondern entlastest auch die oberen Ebenen.
Wenn Stakeholder sich gegenseitig blockieren oder Fachbereiche in unterschiedliche Richtungen ziehen, hilft es, externe Moderation dazuzuholen oder das Steering Board als Schlichtungsinstanz zu nutzen. Wichtig ist, dass du Konflikte nicht aussitzt, sondern sie sichtbar und handhabbar machst.
Konkrete Empfehlungen für deinen Projektalltag
Hier ein paar Dinge, die du in deinem nächsten Projekt direkt anwenden kannst:
- Identifiziere deine Stakeholder aktiv – auch die leisen oder indirekten.
- Kläre Erwartungen frühzeitig und dokumentiere sie.
- Nutze abgestufte Kommunikationsformate – nicht alle brauchen alles.
- Setze ein Steering Board ein, wenn strategische Entscheidungen nötig sind.
- Handle Konflikte im Team – und ruf „Superman“ nur, wenn’s wirklich brennt.
- Bleib transparent und verlässlich – so baust du Vertrauen auf.
Stakeholder-Management ist keine lästige Pflicht – es ist deine Chance, dein Projekt auf ein stabiles Fundament zu stellen. Nutze sie! Hast du Lust, das in deinem nächsten Projekt auszuprobieren? Oder vielleicht hast du sogar schon gute oder schlechte Erfahrungen mit Stakeholdern gemacht? Dann schreib sie dir auf – du wirst daraus lernen.
Im nächsten Teil unserer Serie knacken wir die Nuss und blicken auf Scrum in a Nutshell. Bis dahin freue ich mich auf Eure Reaktionen auf LinkedIn.